In Stirwels erzählt man sich noch heute von der unheimlichen Lauster-Else, die Mitte des 18. Jahrhunderts in der alten Hauptstraße 9 gelebt haben
soll - so heißt es jedenfalls in einem alten Zeitungsbericht. Tatsächlich dürfte es jedoch das angrenzende Haus Nr. 10 gewesen sein, das später mit der Nr. 9 zusammengelegt und zur heutigen 'Am
Höhenblick 37' wurde. Das kleine Häuschen (siehe Bild) existiert aber nicht mehr.
Viele hielten die Lauster-Else für eine Hexe – wegen seltsamer Vorfälle im Dorf.
Ein Bauer, dessen Kuh plötzlich kaum noch Milch gab, versteckte sich - auf den Rat eines Nachbarn - nachts im Stall.Nach Mitternacht kam eine schwarze Katze durchs Fenster und trank bei der Kuh. Der Bauer schlug sie in die Flucht. Am nächsten Morgen lag Else mit Kopfverband
und Schmerzen im Bett – für den Bauern war klar: Sie war die Katze.
Auch sonst geschahen merkwürdige Dinge. Eine Kuh gab keine Milch mehr, nachdem Else sie gelobt hatte. Ein Kind bekam Krämpfe nach ihrer Berührung.
Zwei Kindern schenkte sie Äpfel – einer wurde gegessen, der andere in einen Schrank gelegt. Doch am nächsten Tag war der Apfel verschwunden, stattdessen krabbelte eine eklige Kröte zwischen dem
Geschirr im Schrank umher.
In der Walpurgisnacht sah man eine Hexe auf einem Besen über das Dorf fliegen – Else war an diesem Abend spurlos verschwunden. Es wuchs die Angst vor ihr.
Als sie schließlich starb, war das ganze Dorf erleichtert. Doch beim Leichenzug will ein Mann gesehen haben, wie Else höhnisch lachend aus dem
Fenster ihres Hauses blickte. Der Sarg wurde geöffnet – er war leer. Niemand wusste, wohin die Hexe verschwunden war – es sei denn, sie hätte dem Teufel höchstpersönlich noch einen Gruß zu
überbringen gehabt.
Hinweis: Über Hexenverfolgungen ist in Stornfels nichts bekannt. Allerdings vermutet man, dass in früherer Zeit auf dem heutigen
Schulberg – wo die Dorflinde einmal stand und heute ein Spielplatz ist – einst ein Galgen stand.
Hintergrund: Die Geschichte der Lauster-Else steht in der Tradition des Volksglaubens an Hexen, der in vielen Regionen Europas weit
verbreitet war. Auch ohne konkrete Verfolgungen vor Ort gerieten Frauen, die als auffällig oder unheimlich galten, schnell in den Verdacht, eine Hexe zu sein. In Echzell-Bingenheim, nur
wenige Kilometer entfernt, wurden zwischen 1651 und 1660 insgesamt 56 Menschen, darunter auch Kinder, wegen Hexerei hingerichtet – ein bedrückendes Beispiel
für den regionalen Hintergrund solcher Sagen.
Quellen:
Kreis-Anzeiger (KA) - Heimat im Bild, 19.11.1959 - "Hoch oben auf dem Berg: Stornfels"
Kreis-Anzeiger (KA), 25.01.2005 - "Von der Lauster-Else bis zum Höllenhund"
Im Westen von Stornfels liegt ein Waldstück, das im Dorf einfach „die Hölle“ oder "Höllewald" genannt wird - auf alten Karten auch als "Kellerwald"
verzeichnet. Der Name geht zurück auf ein unheimliches Wesen: den sogenannten Höllenhund. Dieses mehr als kalbsgroße Tier soll einst die Gegend um Stornfels und Ulfa in Angst und Schrecken
versetzt haben. Wer sich in der Dämmerung oder nachts in den Hohlweg wagte, wurde überfallen, zu Boden gerissen und übel zugerichtet – körperlich wie seelisch.
Selbst im Dorf fühlte man sich nicht sicher. In den Spinnstuben horchten die jungen Leute in die Nacht, aus Furcht, das Untier könne in der Nähe
sein.
Damals lebte ein weit gereister Mann namens Karpf in Stornfels. Er glaubte nicht an ein Höllenwesen, sondern vermutete einen Werwolf – einen
Menschen, der sich mithilfe eines Zauberspruchs in einen Wolf verwandelt. Entschlossen, dem Spuk ein Ende zu machen, bewaffnete er sich
mit Lederkappe und Blechpanzer – und machte sich auf den Weg.
In einer mondhellen Nacht betrat er die „Hölle“. Vor ihm sah er einen Mann mit zweifelhaftem Ruf im Gebüsch
verschwinden. Kurz darauf sprang ihm das Untier auf den Rücken. Doch Karpf hielt stand. Trotz Verletzungen riss er das Wesen nach vorn, presste es an sich und schleppte es mit letzter Kraft ins
Dorf. In einer vorbereiteten Scheune warf er es hinein und verschloss die Tür.
Als man später mit mehreren Männern die Tür öffnete, lag darin – kein Tier, sondern ein stöhnender Mann: genau der, den Karpf vermutet hatte. Der
Höllenhund war ein Werwolf gewesen. Von diesem Tag an herrschte wieder Ruhe in Stornfels.
Hintergrund zum Höllenhund: Der Höllenhund ist eine Gestalt der europäischen Folklore, meist ein schwarzer, übernatürlicher
Hund mit glühenden Augen, der als Todesbote gilt – bekannt aus britischen, deutschen und nordischen Sagen. In manchen Regionen wird er als Werwolf-ähnliches Wesen oder dämonischer Wächter
zwischen Diesseits und Jenseits gedeutet.
Hintergrund zum Höllenwald ("Hellewald"):Der
Höllenwald ist oft ein mythischer Ort, in dem alte Naturkulte weiterlebten; der Name leitet sich nicht von „Hölle“ im christlichen Sinne ab, sondern von „Holle“ bzw. „Frau Holle“, einer
vorchristlichen Göttin. Solche Orte galten als Schwellenorte zwischen Welten, wo Frau Holle als Herrin über Natur, Fruchtbarkeit und das Jenseits wirkte.
Quellen:
Kreis-Anzeiger - Heimat im Bild, 19.11.1959 - "Hoch oben auf dem Berg: Stornfels"
Kreis-Anzeiger - Heimat im Bild 1977, Karl-Heinz Basenau
Kartenausschnitt: Großherzogtum Hessen 1823–1850 – Blatt 12 Schotten / „Wilde Frau Born“ beim Schellhof bei Stornfels
Der Wildfrauenborn bei Stornfels
Noch um das Jahr 1900 war der sogenannte Wildfrauenborn nahe dem Schellnhof sichtbar. Inzwischen ist er zugeschüttet. Anders als in anderen Sagen,
in denen Brunnen als Ursprungsorte von Kindern galten, wurde dieser nicht als Quelle der Geburt gesehen, sondern als Wunschbrunnen. Einer alten Sage nach wohnte in dieser Quelle eine „wilde Frau“, aber keine unheilbringende Gestalt, sondern eine wohlwollende, geheimnisvolle Wesenheit.
Frauen, die sich ein Kind wünschten, begaben sich noch vor Sonnenaufgang zur Quelle und tranken dort dreimal schweigend vom Wasser. Dem Volksglauben nach ging der Wunsch dann in Erfüllung. Neben
derQuelle breitete man zudem ein frisches Tuch aus und stellte in einer neuen Schüssel Speisen bereit – eine Gabe an die wilde
Frau. Danach konnte man seiner täglichen Arbeit nachgehen. Zur Mittagszeit, so hieß es, erscheine die wilde Frau, benetze das Tuch mit Quellwasser und mache es so weiß und rein, wie es
kein Mensch je vermöge. Die Speisen hingegen nahm sie mit in ihre verborgene Wohnung.
Hintergrund: Der Wildfrauenborn ("Welle Frau Gestäul") ist eine sagenumwobene Quelle, die mit mythischen Frauenfiguren
wie den „Wilden Frauen“ oder "Frau Holle" verbunden ist und oft als Ort alter Naturverehrung gilt. Solche Stätten symbolisieren den Übergang zwischen der sichtbaren Welt und einer
geheimnisvollen, spirituellen Sphäre.
Quellen:
Kreis-Anzeiger (KA) - Heimat im Bild, 19.11.1959 - "Hoch oben auf dem Berg: Stornfels"
Hinter der Kirche von Stornfels liegt ein rund 18 Meter tiefer, gemauerter Brunnen. Er stammt aus der Zeit der Burg und diente einst der
Trinkwasserversorgung der Bewohner. Seine Wände verlaufen nicht senkrecht, sondern schräg nach außen, was auf bemerkenswertes handwerkliches Können hinweist. Der Aushub aus dem Brunnenbau wurde in der Umgebung aufgeschüttet und soll so zur Erhöhung des Burgbergs beigetragen haben.
Der Durchmesser des Brunnengrunds beträgt etwas über fünf Meter – im Ort heißt es gern scherzhaft, ein Heuwagen könne darin im Kreis
fahren. Das Brunnenwasser ist seit Menschengedenken verunreinigt und gilt als ungenießbar.
Der Überlieferung nach forderte der Brunnenbauer nach Fertigstellung seiner Arbeit einen so hohen Lohn, dass der Burgherr wütend wurde und ihm ein
Auge ausstechen ließ. Der Mann entkam – das zweite Auge blieb ihm nur knapp erspart. Jahre später, nach dem Tod des Burgherrn, kehrte der Einäugige zurück und goss aus Rache Quecksilber in den
Brunnen. Seither, so heißt es, sei das Wasser ungenießbar.
Quelle:
Kreis-Anzeiger - Heimat im Bild, 19.11.1959 - "Hoch oben auf dem Berg: Stornfels"
Der verschwundene Schatz
In einer dunklen Nacht machten sich Männer aus Stornfels daran, einen verborgenen Schatz zu heben. Sie fanden
erste Münzen und stießen schließlich auf eine Truhe. Doch als einer vor Freude ausrief: „Jetzt aber fest gezogen!“, versank der Schatz plötzlich in der Erde – denn bei solchen Unternehmungen
durfte man der Sage nach kein Wort sprechen.
Quelle:
Kreis-Anzeiger (KA) - Heimat im Bild, 19.11.1959 - "Hoch oben auf dem Berg: Stornfels"
Südwestlich, hinter der Kirche, befindet sich im Hang eine schmale Öffnung, die in eine unterirdische Kammer führt. Als Kind wurde der Autorin von
ihren Omas erzählt, dass sich dort ein Gang befinde - ein Tunnel, der bis nach Laubach reiche, was jedoch kaum möglich ist.
Da das Ganze sehr baufällig und der Zugang nicht verschlossen war, machten sie ihr Angst, und sagten stets warnend: „Geh da net hin, da wohnt der Deiwel.“ Trotz aller Warnungen
vor dem "Teufel" wagte sie einen Blick hinein, konnte aber nichts erkennen. Der Gedanke an Spinnen und Dunkelheit ließ ihr die Abenteuerlust schnell vergehen.
Tatsächlich existiert an dieser Stelle ein heute verschlossener Zugang, von dem jetzt nur noch eine kleine Öffnung mit Belüftungsschlitzen
sichtbar ist – gut verborgen hinter einer dichten Dornenhecke. Wer früher durch diese Öffnung kroch, gelangte unmittelbar auf eine schräg abfallende Rampe aus aufgeschütteter Erde und
Geröll, die hinab in eine etwa zwei bis drei Meter hohe, rund vier auf vier Meter große Kammer führte. In der Kammer befand sich ein türgroßer Durchgang zu einem Gang
in Richtung Kirche/Bürgerhaus. Auch dieser wurde aus Sicherheitsgründen zugemauert. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Teil der früheren Burganlage – ein Lagerraum, Keller oder möglicher
Fluchttunnel.
Randbemerkung: Auch im Roman der Autorin tauchen Tunnel und Spinnenphobie auf – wobei der Tunnel
zu einem geheimnisvollen Zeitreisepfad zwischen Vergangenheit und Gegenwart wird.
Quelle:
Diese Geschichte wurde der Autorin von ihren ortsansässigen Omas mündlich überliefert.
Der Sage nach wurde Einartshausen von Eginhard gegründet, der einer von drei Söhnen eines Grafen von Stornfels gewesen sein soll.
Einartshausen wird erstmals zwischen 890 und 904 urkundlich erwähnt –
Stornfels 1208. Man nimmt jedoch an, dass die Burg Stornfels zwischen 800 und 1300 erbaut wurde. Vielleicht steckt ja ein Körnchen
Wahrheit in der alten Sage.
Bild-Hinweis:Im Vordergrund liegt das Dorf Einartshausen, malerisch eingebettet im Tal. In der Ferne
erhebt sich auf einer Anhöhe das Örtchen Stornfels, dessen Kirche den höchsten Punkt markiert. Dahinter zeichnen sich wie ein Schatten die Feldberge des Taunus ab.